Rede zu Jahresabschlüssen 2013 und 2014

Rede Jörg Rupp und Kanya Pawlewicz-Rupp in der Stadtverordnetenversammlung am Donnerstag, dem 28. September 2017
Anrede,

als wir vor rund einem Jahr endlich die Zeit fanden, uns mit den Jahresabschlüssen 2008 bis 2012 näher zu befassen, da gewannen wir den Eindruck, dass wir hier das Ergebnis harter und konzentrierter Arbeit der Reinheimer Verwaltung vorliegen hatten. Für diese Fleißarbeit, die auch entsprechende Kompetenz erfordert, zollen wir vom Reinheimer Kreis der Verwaltung unseren Respekt und unseren Dank, insbesondere Frau Dobisl, die hierfür bekanntlich verantwortlich zeichnet.

Aufgabe der Stadtverordnetenversammlung ist es, diese Jahresabschlüsse möglichst genau zu prüfen, die Arbeit der Stadtverwaltung, aber auch des Kontrollorgans Revisionsamt zu betrachten und durch eigenen Beschluss die korrekte Umsetzung der rechtlichen Vorgaben zu bestätigen. Außerdem gilt es, den Magistrat zu entlasten.

Zunächst ist festzustellen, dass die Jahresabschlüsse 2008 bis 2012 sowie 2013 und 2014 viel zu spät vorgelegt werden, als dass tatsächlich eine wirksame Kontrolle des Haushaltsvollzugs und der damit zusammenhängenden Haushaltsplanungen für die Zukunft gewährleistet werden könnte. Aber dazu ist heute schon Ausreichendes gesagt worden.

Als ehrenamtliche Stadtverordnete und Freizeitpolitiker haben wir uns, zur Vorbereitung weiterer Jahresabschlüsse eingehender mit dem Jahresabschluss 2012 befasst – um zu lernen, wo wir hinschauen müssen und auch, um uns tiefer in die Materie einzuarbeiten. Dabei haben wir vor allem im Bericht des Revisionsamtes für 2012 einige Vermerke entdeckt, die uns sehr beunruhigt haben.

Da lesen wir, dass fortgeschriebene Planansätze fehlerhaft dargestellt und dadurch entscheidende Parameter falsch ausgewiesen wurden.

Ich zitiere: „Im Verlauf der Prüfung konnte durch die Finanzverwaltung keine Aufklärung des Sachverhaltes erfolgen.

Der Jahresabschluss sowie die Buchführung der Stadt Reinheim entsprechen laut Revisionsamt „nicht in allen wesentlichen Belangen den rechtlichen Vorgaben“.

Es kam hinzu, dass wir feststellten, dass die Endsalden der Vorjahre nicht den Anfangssalden der Folgejahre entsprachen. Da waren also, zumindest was die Darstellung in den Jahresabschlüssen angeht, in der Sekunde der Silvesternacht Gelder plötzlich aufgetaucht oder verschwunden.

Stutzig wurden wir, als wir von Grundstücksverkäufen lasen, die in der Anlagenbuchhaltung nicht korrekt dargestellt wurden.

Außerdem hieß es, dass bei einem der 13 verkauften Grundstücke ein völlig falscher Wert eingebucht worden war. Statt einem tatsächlichen Buchverlust von 57.158,67 Euro wurde hier lediglich ein Buchverlust von 303,60 Euro in Abgang gestellt.

Statt zu seinem Buchwert von 101.230 Euro ist dieses Grundstück schließlich zu einem Kaufpreis von 44.071,33 Euro verkauft worden.

Obwohl es eigentlich Ziel der Jahresabschlüsse ist, die Geschäftsführung der Stadt durch den Magistrat so transparent wie möglich zu machen, war in diesem4 Jahresabschluss und auch in dem Bericht des Revisionsamtes nicht erkennbar, um welches Grundstück es sich handeln könnte.

Es blieb also alles sehr nebulös und zweifelhaft. Es blieb uns nur, auf den Jahresabschluss 2013 zu warten, denn dort musste nach Anweisung des Revisionsamtes eben dieser seltsame Vorgang richtiggestellt werden. Im Entwurf des Jahresabschlusses 2013 konnte dann unser Stadtrat Werner Göckel, tatsächlich des Lesens mächtig, erkennen, dass es sich wohl um das Grundstück Ernst-Reuter-Straße 17 & 19 handeln müsse, das seinerzeit von einem Reinheimer Brüderpaar gekauft worden war.

17 und 19? Ja. Denn das eine Grundstück entpuppte sich als ursprünglich zwei, die zusammengelegt worden waren, was aber auch nicht erkennbar war. Kurz vor dem Verkauf dieses Grundstückes war von der Stadtverordnetenversammlung der allgemeine Kaufpreis für Grundstücke im alten Baugebiet Nordwest abgesenkt worden.

Meine Damen und Herren,

Sie werden verstehen, dass wir hier genauer nachfragen mussten, wobei wir uns dafür entschieden, nicht zuerst die Stadt Reinheim zu fragen, weil der Jahresabschluss 20112 ja bereits beraten und beschlossen war.

Erfahrungen aus der Vergangenheit hatten uns gelehrt, dass wir damit rechnen konnten, formalen Gründen keine Antwort zu bekommen: Frist abgelaufen. Keine Auskunft mehr.

Deshalb wanden wir uns an Revisionsamt, Aufsichtsbehörde (Kommunalaufsicht beim Landkreis Darmstadt-Dieburg) und an das RP, um sicherzugehen, dass wir die Sache auch tatsächlich aufklären können, zumal es sich hier ja um keine Lappalie handelte. Was wir darauf hin erlebten, ist eigentlich ein Treppenwitz, aber auch dazu geeignet, die Unabhängigkeit und Unvoreingenommenheit der Kommunalaufsicht im Landkreis in Zweifel zu ziehen. Zwar wurde klargestellt, dass der Sachverhalt doch noch im Rahmen der Beratung des Abschlusses 2013 zu klären war, aber die Kommunalaufsicht versagte uns weitere Unterstützung und unterstellte uns auf übelste Art und Weise, allein „parteipolitisch motiviert“ zu handeln.

Nun sind wir hier tatsächlich parteipolitisch motiviert tätig. Das gilt aber für alle hier in diesem Hause, egal aus welcher Fraktion.

Das Entscheidende aber ist: Wichtigste Aufgabe des Parlamentes und der Opposition ist es, die Verwaltung zu kontrollieren.

Es ist erschreckend, dass das offenbar der Kommunalaufsicht nicht bekannt ist. Zumal es unser erstes Schreiben an die Behörde überhaupt war, man uns aber unterstellte, wir wollten die Behörde mit Schreiben überfluten. Sachlichkeit und Neutralität sehen anders aus.

Genauso erschreckend ist, dass wir als Stadtverordnete nach Ansicht der Kommunalaufsicht des Landkreises Darmstadt-Dieburg keine Unterstützung zu erwarten haben, selbst wenn wir begründete Bedenken haben. Eine Kontrolle solcher komplexen und komplizierten Vorlagen wie den Jahresabschlüssen kann durch ehrenamtlich tätige Stadtverordnete aber ohne eine Möglichkeit der Beratung und Rückfrage von neutraler Seite nicht ausreichend erfolgen.

Hier sollte der Gesetzgeber nachbessern, sonst können wir uns diese Debatten hier eigentlich schenken. In den Beratungen der Ausschüsse zum Jahresabschluss 2013 haben wir unsere Fragen nach dem Grundstück nun stellen können und auch eine Erklärung dafür erhalten, wie aus dem Buchwert von 101.230 Euro ein tatsächlicher Verkaufswert von 44.071,23 Euro werden konnte.

Das hat uns aber nicht vollständig überzeugen können. Jedenfalls gibt es positive Effekte aus dieser Debatte. Erstens hat sich das Parlament erstmals intensiv mit den Jahresabschlüssen befasst.

Und zweitens haben wir gelernt, dass trotz des Eindruckes, den Bürgermeister und Verwaltung in Reinheim seit Jahren machen wollen, das Verwaltungshandeln hier eben doch nicht perfekt ist. Worauf wir immer wieder hingewiesen haben.

Dass auch hier in Reinheim Fehler gemacht werden. Und zwar in den Jahresabschlüssen durchaus einige, weshalb der erste vom Magistrat eingereichte Entwurf für 2013 und 2014 auch noch einmal an einigen Stellen korrigiert werden musste.

Es ist ein echter Fortschritt, dass Herr Bürgermeister Hartmann erstmals schriftlich zugegeben hat, dass auch in der Reinheimer Verwaltung Fehler gemacht werden. Das war währen der Beratungen zum Haushalt 2017 noch ganz anders, wie wir uns alle lebhaft erinnern. Wobei Fehler machen ja durchaus normal ist. Weshalb eine Opposition eben auch kritisch drüber schauen muss.

Auch wenn wir durchaus anerkennen, dass die Doppik Probleme nach sich zieht, so können wir Stadtverwaltung und Magistrat dennoch nicht aus ihrer Verantwortung entlassen.

Weshalb gibt es beispielsweise kein Qualitätsmanagement, wenn es um die Aufstellung der Jahresabschlüsse geht?

Oder einfach nur jemanden, der einmal gegenliest, um wenigstens offensichtliche Tippfehler zu vermeiden? Hier haben Sie, Herr Bürgermeister, Ihre Hausaufgaben nicht gemacht.

Auch in der Schlussbetrachtung zur Vergabepraxis zum Jahresabschluss 2013 heißt es wieder von Seiten des Revisionsamtes:

Die Dokumentation der von uns geprüften Maßnahmen entspricht nicht dem durch Gesetzeslage und VOB definierten Standard.“ „Die Bekanntmachungen der öffentlichen Ausschreibungen waren nicht in jeder Hinsicht fehlerfrei.“ „Bei einigen der von uns geprüften Maßnahmen entsprachen die Vergabeunterlagen nicht den anzuwendenden Vorschriften.“ „Die Niederschriften über die Öffnung der Angebote waren meist nicht korrekt bzw. unvollständig ausgefüllt.“ „für … Bieter, die … den Zuschlag erhalten sollten“ wurde „weder ein Auszug aus dem Gewerbezentralregister angefordert, noch bei der Oberfinanzdirektion … angefragt, ob die Firmen vom Wettbewerb ausgeschlossen sind.

Im Jahresabschluss 2014 findet sich der Hinweis, dass das Gebäude des Evangelischen Kindergartens10 Reinheim zwar von der Stadt errichtet worden, aber nicht im Anlagevermögen der Stadt aufgeführt ist. Angesichts dieser letztlich doch erheblichen Mängel bei der Aufstellung der Jahresabschlüsse haben wir uns deshalb entschieden, die Abschlüsse für die Jahre 2013 und 2014 heute abzulehnen.

Auch wenn die Mängel rechtlich gesehen im Rahmen sein mögen, so sind sie doch von uns politisch zu bewerten.

Und diese politische Bewertung führt uns dazu, dass wir es nicht verantworten können, diese vermurksten Vorlagen mit zu beschließen.

Denn die enthaltenen Fehler sind durchaus dazu geeignet, die wirtschaftliche Lage und den tatsächlichen Haushaltsvollzug der Stadt Reinheim grob fehlerhaft darzustellen. Das können wir nicht ohne Widerspruch hinnehmen.

Es reicht uns nicht, dass die Jahresabschlüsse nur „im wesentlichen“ (so das Revisionsamt) den rechtlichen Vorgaben entsprechen. Wir können also nicht sicher sagen, dass der Stadt Reinheim kein Schaden entstanden ist. Deshalb stimmen wir mit Nein.11 Hoffen wir, dass es im nächsten Jahr besser wird und die Jahresabschlüsse bald tatsächlich zu einem Instrument der Kontrolle und der Transparenz reifen können.

Vielen Dank.
Jörg Rupp

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