Über Umgehungsstraßen, LKW-Lärm, Tempolimits und den ÖPNV
Am 5. November 2013 wurde die B 38 Umgehung um
Reinheim eröffnet. Zeit für einen Rückblick:
Ergebnisse städtischer Verkehrszählungen: Stündlich gemittelte Durchschnittswerte aus
jeweils mehrtägigen Zählungen von 7:00-9:00, 11:00-13:00 und
16:00-18:00; Addition beider Fahrrichtungen
Noch im Herbst Anfang 2017 werden neue, umfangreiche Verkehrszählungen von Hessen Mobil erwartet, da die letzte Lärmkartierung noch von vor der Umgehung stammt.
Die Zählungen zeigen einen erstaunlich geringen Rückgang nach 2013. Die Auswirkungen dieses Rückgangs
schlagen sich in den Luftmesswerten der (ehemaligen)
Messstation an der Sparkasse etwas deutlicher nieder:
Monatliche Durchschnittswerte der Luftmessstation an der Darmstädter Straße 24, Fortsetzung durch kleine NO
2-Messbox
Der hier deutlichere Rückgang lässt sich wie folgt erklären: Der Energieverbrauch innerorts setzt sich maßgeblich aus Beschleunigungs- und Leerlaufleistung
zusammen; Roll- und Luftwiderstand spielen bei den
zumeist übermotorisierten Fahrzeugen und niedrigen
Geschwindigkeiten nur eine untergeordnete Rolle. Vor
Eröffnung der Umgehung war die Transportkapazität
der Straße insbesondere im Bereich der Messstation oft
überschritten (Stau). Das heißt: Große Anzahl an Fahrzeugen auf der Straße und hohe Leerlaufleistungen bei
trotzdem eher niedrigem Durchsatz an Fahrzeugen (wie
in ersterer Zählung erfasst).
Der ebenfalls eingezeichnete Grenzwert von 40 µg/m³
für NO2 und PM10 darf hier nicht als Unbedenklichkeitsschwelle missverstanden werden. Der Grenzwert regelt,
dass bei anhaltender Überschreitung Maßnahmen zur
Verbesserung der Luftqualität zwingend notwendig werden. Auch zeigt das Diagramm nur monatlich gemittelte
Werte; stündlich gemittelte Werte steigen zu den Hauptverkehrszeiten weiterhin bis auf das Doppelte der
Grenzwerte an.
Zuletzt ein Blick auf die Unfallstatistik:
Unfälle entlang der B 426 in Reinheim vor und nach Eröffnung der Umgehung
Seit Eröffnung der
Umgehung ist die
Anzahl an Unfällen
generell gesunken, der
durchschnittliche Schaden pro Unfall aber
gestiegen. Das lässt sich
wie folgt erklären:
Solche Unfälle mit nur minimalem Schaden, wie sie vor
Eröffnung der Umgehung oft im Bereich der unteren
Darmstädter Straße passiert sind, sind erheblich zurückgegangen. Unfälle mit höherer Schadensklasse sind hingegen nicht zurückgegangen, sondern sogar leicht angestiegen. Dass durch die Umgehung die Gefährdung
somit sogar größer geworden sein könnte, kann aufgrund der kleinen Stichprobengröße nicht geschlussfolgert werden.
Im betrachteten Zeitraum gab es keine tödlichen
Unfälle; ein prinzipielles Sicherheitsproblem liegt in
Reinheim nicht vor. Einzig die Abzweigung Bahnhofstraße – Ueberauer Straße fällt in der Statistik auf, da
Verkehrsteilnehmer entlang der Bahnhofstraße die
abknickende Vorfahrt missachten.
Problem: Belastung durch LKW
Entlang der im Ort verbleibenden B 426 klagen Anwohner vermehrt über LKW und damit verbundenen Lärm
und Erschütterungen. Ein erhebliches Problem durch
LKW entlang der B 426 können die Zählungen der Stadt
nicht bestätigen; was aber an der geringen Stichprobengröße liegen kann. Noch Ende dieses Jahres werden
wesentlich umfangreichere Zählungen durch Hessen
Mobil erwartet. Die Schließung der Darmstädter Innenstadt für LKW sowie die Eröffnung des Lohbergtunnels
legen nahe, dass die Belastung durch LKW in Reinheim
in den letzten Jahren stetig gestiegen ist. Nicht nur der
Kirchturm in der Kirchstraße wird/wurde durch Erschütterungen beschädigt; die LKW sind für Anwohner ein Problem. Zur Lärmbelästigung tragen Autos und Motorräder mit extra-lautem Motorengeräusch und folglich
geringem Wirkungsgrad allerdings nicht weniger bei.
Als erste Maßnahme fordern wir die Anordnung von T 30 für LKW; die Fahrzeitverlängerung von T 30 / T 50 wäre in Reinheim wesentlich geringer, als das Verhältnis 50 / 30 und für die Industrie zumutbar.
Aussicht: B 426 Umgehung
In der Woche vor der Wahl brachte Bürgermeister Hartmann die Möglichkeit auf eine weitere Ortsumgehung
für die B 426 in Diskussion. Diese findet sich seither im Bundesverkehrswegeplan 2030 im
erweiterten Bedarf und würde vom
Kreisel zwischen Reinheim und
Spachbrücken bis zur bestehenden
B 426 bei Ueberau führen. Das
geplante, etwa 1,8 Km lange Streckenstück würde planmäßig 6,6 Millionen Euro kosten. Ob überhaupt
und wann mit einem Baubeginn zu
rechnen ist, ist noch völlig offen.
Die Verkehrszählungen zeigen
jedoch, dass trotz Umgehung die
B 426 nicht zur Hauptverkehrsader
in Reinheim geworden ist. Der
Rückgang an Verkehr war bei der
bestehenden Umgehung schon niedriger als erhofft. Prinzipiell gilt, dass
eine Region mit dem Bau neuer
Straßen immer zusätzlichen Verkehr
anzieht. Auch würde die B 426
Umgehung das Naturschutzgebiet
Reinheimer Teich tangieren und das
Wachstum der Stadt eingrenzen.
Mit Blick auf die hohen Baukosten,
die lange Wartezeit und die möglicher Weise nicht zufriedenstellenden
Ergebnisse sehen wir eine weitere
Umgehung eher kritisch.
Umgestaltung Innenstadt
Wesentlich zeitnaher wird eine
Umgestaltung der unteren Darmstädter Straße erfolgen. Grund sind
Wartungsarbeiten an der Kanalisation sowie eine notwendige
Erneuerung des Asphalts. Bei dieser
Gelegenheit sind auch Umgestaltungen vorgesehen. Bisherige Pläne
basieren auf einem Innenstadtentwicklungskonzept und sehen keine
grundlegenden Veränderungen vor.
So etwa wird der Bahnübergang
wohl bleiben, wie er ist – von den
Verantwortlichen heißt es, es seien
schon alle Möglichkeiten, den Bahnübergang betreffend, untersucht
worden. Einen abschließenden
Bericht hierzu haben wir nicht finden können.
Fuß- und Radwegenetz
Immer wieder zu kurz kommen
Investitionen in Fuß- und Radwege.
Es werden Unsummen für den Bau
einer in vielerlei Hinsicht fragwürdigen Park-and-Ride-Anlage investiert
aber dabei eine Treppe am Ende der
Parkplätze zur Georgenstraße vergessen. Im Bereich Hahner Straße
fehlt es an einer Möglichkeit, über
die Gleise Richtung Mühlberg zu
laufen. Viele Bereiche der Stadt sind
spürbar für Autos konzipiert. Das
alles trägt dazu bei, dass nur wenige
Reinheimer für innerörtliche Wege
auf das Auto verzichten. Daraus
resultieren viele der Probleme im
Bereich Infrastruktur.
ÖPNV – Änderungen an Buslinien
Lohnenswert ist zuletzt noch ein
Blick auf die Pläne der Dadina. 2017
soll die Buslinie K 85 durch Rossdorf führen, dafür aber Spachbrücken und Reinheim nicht mehr
anfahren. Ersetzt wird sie durch
zusätzliche Busse auf der Linie
K 55, welche dann bis 0:30 fahren
und ärgerliche Lücken im Fahrplan
nach Darmstadt schließen soll. Die
Fahrzeitverlängerung durch Rossdorf belaufe sich laut Dadina auf nur
3 Minuten; trotzdem bevorzugen
viele Pendler nach Darmstadt den im
Moment noch schnelleren K 85.
Georgenhausen und Zeilhard werden
für die längere Fahrzeit mit zukünftig 3 Bussen pro Stunde entschädigt;
Spachbrücken bekommt mit dem
Wegfall von K 85 einen gewissen
Nachteil, auch wegen der Verbindung nach Groß-Bieberau.
Bei Mitfinanzierung durch Reinheim
könnte die DADINA eine Schnellbuslinie Reinheim-Spachbrücken-Darmstadt anbieten; im Hinblick auf
den Haushalt eine schwere Entscheidung. Die Reinheimer Stadtverordnetenversammlung setzt auf das Land als Geldgeber und möchte den Plänen ohne die Schnellbuslinie nicht zustimmen. Es ist jedoch normal, dass Kommunen den ÖPNV mitfinanzieren. Im Vergleich hält sich Reinheim an dieser Stelle sehr zurück.